(uw) Ein Gastartikel von Detlef Maushake.
„Laut dem Stadtbrandmeister kann es passieren, dass Sonnenstrahlen auf dem Glas einer weggeworfenen Flasche oder Glasscherben zur Entzündung führen kann – das sei jedoch eine sehr seltene Ursache.“ So oder ähnlich lauten häufig die Meldungen, die man in Sommerzeiten in den Medien lesen kann.
Ein Mythos, der sich schon ewig hält und dem trotz intensiver Schulung und Forschung kaum beizukommen ist, findet man doch bei entsprechender Google-Suche zahlreiche Meldungen offizieller Stellen aus dem Juni 2017 mit ähnlichem Wortlaut.
Im Jahr 2007 ermittelte Tanja Müller als Diplomandin des Prof. Dr. Wolfgang Durner an der TU Braunschweig Daten zur „Wirkung von Glasscherben bei der Entzündung der Streuauflagen“ mit eindeutigen Ergebnissen.
Hier einige Auszüge aus der Arbeit. An Kommentarstellen meinerseits werden diese kenntlich gemacht.
Besonderer Dank geht hier an Prof. Dr. Durner, der unserem Verein Waldbrandteam e.V. die Diplomarbeit und den veröffentlichten Artikel aus der AFZ-Der Wald völlig unkompliziert zur Ausbildung zur Verfügung gestellt hat.
Frau Müller schreibt: „Waldbrände entzünden sich in der Regel am Boden in den Streuauflagen und der Bodenvegetation. Ursachen für die Entzündung von Waldbränden sind zum größten Teil auf Fahrlässigkeit (z.B. Funkenflug bei Maschinen, Campingfeuer, Waldbesucher), Brandstiftung oder andere durch den Menschen bedingte Handlungen zurückzuführen. Nur ein sehr geringer Prozentsatz aller Waldbrände in Deutschland und auch in Europa entsteht durch natürliche Ursachen, wozu hauptsächlich eine Entzündung durch Blitzschlag zählt.“
Kommentar: Waldbrände erfassen nur einen geringen Bruchteil aller Vegetationsbrände, da Brände auf Freiflächen, Brachen, Böschungen etc. nur durch die Brandstatistiken der Bundesländer aber nicht zentral wie bei reinen Waldbränden erfasst werden. Nach Ansicht des Waldbrandteams haben wir in Deutschland weit mehr als das zehnfach der rund 1000 Waldbrände wenn man Vegetationsbrände insgesamt betrachten würde:
Bereits 1933 experimentierte Geiger mit Bierflaschen, vermutlich aus braunem Glas und kam zu dem Schluß dass mit diesen (z.T. wassergefüllten Flaschen) keine Zündung möglich sei.
Weitere Experimente allerdings mit wassergefüllten Glasgefäßen in diversen Jahren führten unter idealisierten Laborbedingungen zu einer Entzündung von Kiefernnadeln. Bis auf einige Verkohlungen unter wassergefüllten kugelförmigen Gefäßen konnte dies auch in der Versuchsreihe von Frau Müller nicht als Brandquelle bestätigt werden.
Bei den Versuchen wurden lichtbündelnde Glasscherben (aus ca. 30 verschiedenen im Haushalt als Abfall möglichen Glasgefäßen durch Zerschlagen gewonnen) mit Stativen so positioniert, dass das Sonnenlicht bestmöglich auf Streuoberflächen gebündelt wurde.
Als Streumaterialien wurden neben Blättern, Nadeln, Grasarten und Heidekraut gesammelt und ausgebreitet über 2 Wochen bei Raumtemperatur unter häufigem Wenden 2 Wochen getrocknet. Damit wurde eine geschätzte Streufeuchte von etwa 10% erreicht (dies entspricht einer hohen bis mittleren Zündgefahr).
Die Versuchsabläufe zu beschreiben würde hier den Rahmen sprengen daher hier nur die wichtigsten Fakten als Aufzählung:
- Die höchste Lichtkonzentration wurde mit Glasböden erzeugt.
- Der Abstand der Glasscherben zur Oberfläche bei maximaler Lichtpunktkonzentration (Brennweite) lag im Bereich von 20-30cm (Anm: also bedeutet dies dass eine auf dem Boden liegende Glasscherbe den Punkt höchster Wärmeentwicklung in dieser Tiefe in der Erde hätte!).
- Dieser Punkt wandert aber mit der sich verändernden Sonneneinstrahlung und verweilt z.T. nur 2min auf einem Bereich mit unter den gegebenen Lichtbündelungskonzentrationen höchster Temperatur.
- Direkt unter einer aufliegenden Glasscherbe gemessene Temperaturen erreichten lediglich ein Maximum von etwa 85°C (wahrscheinlicher als Folge des Wärmestaus als durch Lichtbrechung).
- Bei KEINEM der 120 Zündversuche (Anm: unter idealen, für das „weggeworfene Glas im Wald“ unrealistischen Bedingungen) kam es durch die Flaschenböden unter den vorliegenden äußeren Bedingungen zu einer Entzündung von Streumaterial.
- Selbst mit den zur Kontrolle genutzten Lupen (Temp. Im Brennpunkt rund 1000°C) wurden nur kurze Entflammungen ohne andauernden Brennvorgang festgestellt.
Es bleibt also ein Mythos, der wie es so schön heisst mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nicht für Wald- und Flächenbrände als Zündquelle dienen kann.
Vorteil dieser weit verbreiteten „Mär“ ist allerdings die Müllvermeidung im Wald, so dass wir Fachleute die Nachrichten über diese „alltägliche Zündquelle bei Waldbränden“ meistens schmunzelnd hinnehmen und uns eines besseren Wissens erfreuen.
Dieses und anderes Wissen vermitteln wir bei unseren Ausbildungen durch das Waldbrandteam e.V. – ein Zusammenschluß von Feuerwehrleuten und anderen Interessierten zum Aufbau einer Auslandseinsatzeinheit gegen Vegetationsbrände.
Grundlage der Ausbildung sind dabei die Regeln der National wildfire coordinating group NWCG aus den USA.
Seit mehreren Jahren bilden wir kommunale Feuerwehren in Deutschland und Österreich in der sicheren und effektiven Wald- und Flächenbrandbekämpfung aus, soweit möglich auch unter Einsatz von Realfeuer.
Wir sind rein freiwillig und gemeinnützig als Verein organisiert und bieten viele Erfahrungen in diesem Spezialbereich ebenso wie interessante Auslandseinsätze. Bei den Einsätzen nutzen wir kleine Tragkraftspritzen, Handwerkzeuge und Rucksackspritzen ebenso wie das Legen von Feuer zur Brandbekämpfung.
Weitere Informationen finden sich auf unserer Webseite www.waldbrandteam.de oder in unserem Youtube Channel Waldbrandteam e.V.