Ist das nicht schon eine Weile her? Ja, es war in 2005.
Aber warum das jetzt aktuell ist, beschreibt Matthias Ott aus Waldems in seinem folgenden Bericht:
Am 26. November 2005, dem Samstagabend vor dem ersten Advent, befand ich mich gerade auf dem Weg zu meinem Nachtdienst auf unserer Rettungswache, als ich im Autoradio von einem großflächigen Stromausfall in Nordrhein-Westfalen hörte, der offensichtlich durch extreme Witterungsverhältnisse, Schnee und Eis, ausgelöst worden war. Ich wunderte mich ein bisschen darüber, schnell verfestigte sich aber die Erkenntnis, dass mich das Ganze nicht betrifft, war doch bei uns einigermaßen passables Wetter und NRW in Summe recht weit weg.
So begann der Dienst ganz normal, einige Einsätze waren bereits abgearbeitet, als auf der Wache ein Anruf für den Zugführer des Betreuungszuges einging, dessen Stellvertreter ich war. Also ging ich an den Apparat und erfuhr, dass das Land in den Kreisen eine Abfrage machte, wer Stromversorgungskapazitäten zur Verfügung stellen könnte. Und auf der entsprechenden Liste, die der Disponent dann heraus geholt hatte, standen auch wir darauf. Wir verfügten nämlich über einen 85 kVA-Stromerzeuger auf einem Tandemanhänger, der hauptsächlich mal für die Stromversorgung der Kühlzellen unserer Essen-auf-Rädern-Station beschafft worden war. Nun begann das grübeln: Die wollen und doch nicht wirklich nach dort schicken? Wen kann man da hinschicken? Wie lange wird das dauern? Aber der Disponent beruhigte mich – das wäre erst mal „pro forma“ – kein Grund zur Panik!
Keine zwei Stunden später dann aber ein erneuter Anruf: NRW hätte das umfangreiche Hilfsangebot aus Hessen angenommen, in zwei Stunden wäre Abfahrt für die Kräfte aus unserem Kreis an der Feuerwache 2 in Wiesbaden. Ui! Glücklicherweise konnte schnell ein Kollege für mich einspringen und ein weiterer Helfer war auch schnell gefunden, so dass wir den Stromerzeuger an unseren geländegängigen Mitsubishi-Pickup hängten und los fuhren. Noch immer war nicht genau klar, was wir da eigentlich sollten.
In Wiesbaden angekommen wurden die ersten Probleme offenbar: Die einzigen größeren Stromerzeugungskapazitäten der Feuerwehren in vielen Kreisen waren die Lichtmastfahrzeuge, die in Hessen fast flächendeckend aufgrund vergangener Landesbeschaffungsprogramme vorhanden waren. Die KBI konnten selbige aber nicht immer frei geben, denn sie hatten ja auch vor Ort eine einsatztaktische Aufgabe, und konnten manchmal eben nicht ersetzt werden. Es ergab sich also eine bunt gemischte Truppe aus BF Wiesbaden mit einem Großaggregat des lokalen Energieversorgers, THW, DRK mit einem Lichtmastfahrzeug und uns mit unserer NEA. Und diese setzte sich dann tatsächlich im Eilmarsch in Richtung Münsterland in Bewegung.
Im vorgesehenen Bereitstellungsraum, dem Institut der Feuerwehr in Münster, waren die Augen dann groß. Stand doch der ganze Hof voller unterschiedlicher Fahrzeuge, Lichtmastfahrzeuge, Anhänger und so weiter von unterscheidlichsten Organisationen. Dann wurde gefrühstückt und eingeteilt, für uns ging es nach Wettringen. Und vor Ort wurde dann klar, um was es ging: Nicht um Krankenhäuser, Altenheime oder Pflegeeinrichtungen, die zu versorgen waren, sondern um Bauernhöfe und Abwasserhebeanlagen! Wir lernten, dass viele Rinderzuchbetriebe inwzischen so groß waren, dass eine melken mit der Hand nicht mehr vollumfänglich möglich war und die Kühe, an die maschinellen Melkanlagen gewöhnt, dass auch nicht tollerieren würden. Kühe nicht melken verursacht aber Schmerzen bei den Tieren und kann, aufgrund so genannter „Euterentzündungen“, auch tödlich sein. Und wir lernten auch, dass das Münsterland so flach ist, dass mancherorts Abwässer nur mittels elektrischer Hebeanlagen der Kanalisation zugeführt werden konnten.
Das war dann auch unser erster Einsatz. Mit dem Geländewagen und dem relativ kleinen Hänger ging es in den Außenbereich eines nahen Ortes. Dort sollte der Anschluss an eine solche Anlage erfolgen. Vor Ort fanden wir einen Anschlussschrank vor, aber keinen, der uns einweisen konnte, und auch keinen vorgesehenen Einspeisepunkt. Der später eintreffende Mitarbeiter der Stadtwerke, erklärte uns, dass solche Einrichtungen nicht vorhanden waren und der Anschluss durch direkte Verdrahtung des Aggregates mit der Anlage zu erfolgen hätte. Somit wurde ein weiteres Problem klar: Das konnten wir nicht! Wir waren keine Elektriker, konnten die entsprechende Anlage nicht beurteilen und wussten auch nicht, wie man das dann an unser Aggregat anschließen hätte sollen. Und entsprechendes Werkzeug, gar Messgeräte, hatten wir gleich gar nicht. Also erfolgt eine entsprechende Rückmeldung an die Einsatzleitung und wir reisten weiter.
Der zweite Einsatz war dann ein Bauernhof. Dort gab es eine Einspeisung, und der Bauer versicherte uns, er kenne sich aus und seine Einspeisepunkt wäre sicher. Hier konnten wir wenigstens mit der materiellen Ausstattung helfen. Aber eine Beurteilung, ob die Anlage dort sicher ist, war uns nicht möglich. Also war Problem Nummer 3 erkannt: Auch vorhandene Versorgungsanlagen müssen vor einer Einspeisung erneut beurteilt werden.
Am Abend erfolgte dann unsere Ablösung durch andere Helfer, diesmal war sogar ein Elektriker dabei. Der einzige, den wir damals hatten.
Für uns war klar: Solche Einsätze sind machbar, Material ist dafür allerhand vorhanden, aber es gibt dabei einige Schwierigkeiten:
– Ein Stromerzeuger für den überörtlichen Einsatz darf, wenn er angefordert wird, zuhause nicht fehlen. Ist der im eigenen Bereich so wichtig, dass er nicht abgezogen werden kann, darf er überörtlich nicht eingesetzt werden.
– Unterschiedliche Stromerzeuger haben unterschiedlichste Anschlüsse. Nicht jeder Stromerzeuger ist für jede Aufgabe geeignet. Nicht nur die Leistung ist entscheidend.
– Wenn keine standardisierten Einspeisemöglichkeiten vorhanden sind, sind elektrotechnisch unterwiesene Fachkräfte erforderlich, um die Sicherheit der Installation beurteilen zu können.
– Stromerzeuger brauchen Kraftstoff. Je größer sie sind, desto mehr davon muss zeitnah nachgeführt werden. Dafür gibt es in der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr nur selten entsprechende Ressourcen.
Ende 2011, 6 Jahre nach diesem Ereignis, gibt es eine Ausschreibung des Landes Hessen. Dabei geht es um insgesamt 26 Stromerzeuger auf Anhängerfahrgestell oder Abrollbehälter, die in jedem Landkreis stationiert werden sollen. Das ist sicherlich zu begrüßen, schafft man damit doch erstmals (mal abgesehen vom THW) eine einheitliche Plattform für die netzunabhängige Stromversorgung. Aber auch hier sind wiederum Grenzen gesetzt. So wird mit einer solchen Beschaffung die Frage nach entsprechend ausgebildetem Personal nicht beantwortet. Auch ist es ein Unterschied, ob ich eine NEA mittels WLF verbringen muss (dann brauche ich entsprechend tragfähige Wege zum Anfahren, Platz zum Absatteln usw.) oder ob ein Anhänger vorhanden ist.
–
Zum Autor: Matthias Ott ist freiberuflicher Trainer für Rettungsdienst und Katastrophenschutz und verfügt über umfassende Ausbildungen in Feuerwehr, Rettungsdienst und KatS.
Vielen Dank für diesen Bericht.