Versuch mach „kluch“… Ein Experiment zum Glasscherbenmythos

Jedes Jahr, wenn im Sommer die Gefahr von Waldbränden (oder ganz allgemein Vegetationsbränden) besonders hoch ist, lesen wir die Warnhinweise an die Bevölkerung  zur Vermeidung von Wald- und Flächenbränden der Forstämter, Feuerwehren, Polizei und anderen Behörden. Das ist gut und wichtig!
Hier ein aktueller Auszug (1.) des Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
„Hinweise bei Waldbrandgefahr
– Beachten Sie das Verbot für offenes Feuer in Wäldern; dies gilt auch für Grillfeuer –

   nutzen Sie nur ausgewiesene Grillplätze.
– Ebenso ist es grundsätzlich nicht erlaubt, in den Wäldern zu rauchen.
– Werfen Sie keine brennenden Zigaretten aus dem Autofenster.
– Benutzen Sie nur ausgewiesene Parkplätze beim Ausflug in die Natur.
  Trockene Grasflächen unter Fahrzeugen können sich durch heiße Katalysatoren und
  Auspuffrohre entzünden.
– Werfen Sie in Wald und Flur keine Flaschen weg. Glasscherben oder Flaschensplitter
   können wie ein Brennglas wirken und ein Feuer auslösen.
– Halten Sie die Zufahrten zu Wäldern frei – sie sind wichtige Feuerwehrzufahrten

  und Rettungswege für Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr und anderer Hilfsdienste.
  Beachten Sie unbedingt die Park- und Halteverbote.
– Versuchen Sie ein entstehendes Feuer selbst zu löschen, sofern für Sie
  keine Gefahr besteht.
– Melden Sie Brände oder Rauchentwicklungen sofort über die Notrufnummer 112.“

Soweit der Auszug. Was mir bei diesen Hinweisen ins Auge fällt ist ist dieser Satz:
„Glasscherben oder Flaschensplitter können wie ein Brennglas wirken und ein Feuer auslösen“.
Update 31.08.2020: Auf meine Anregung hin hat das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz den Infotext geändert und den Satz mit den Glasscherben entfernt. Danke dafür!  

Wenn man sich gewöhnliche Glasscherben von Flaschen oder ähnlichen Gläsern anschaut, wird man feststellen, dass diese gar nicht die Form eines Brennglases haben, wie es fast jeder von uns aus dem Physikunterricht kennt. Auch der Boden einer Flasche ist eher flach oder ganz leicht gewölbt. Hier ein zwei Fotos:

Desweiteren möchte ich auf den Artikel von Detlef Maushake zum Mythos Glasscherbe hier im Blog hinweisen, der das Thema ausführlich behandelt. Darin auch ein Link zur wissenschaftlichen Untersuchung von Frau Tanja Müller und einen Versuch, mittels Scherben Streuauflagen, also das was man im Wald auf dem Boden findet, zu entzünden.

Ich habe, nicht wissenschaftlich und einfach mal so auch einen Versuch bei dem aktuell hochsommerlichen, heißen und trockenem Wetter durchgeführt. Die Temperatur im Schatten betrug etwa 32-34°C, es war kaum spürbarer Wind.
Trockenes Wiesengras und Fichtennadeln aus dem Garten dienten mir als Streugut.
Als Scherben zerschlug ich ein klares, einfaches Marmeladenglas.
Um eine eine weitere mögliche Zündquelle zu haben, füllte ich noch eine klare Glasflasche mit Wasser, ca. 3/4 voll. So stelle ich mir die Dinge vor, die nachlässige Waldbesucher mal im Wald liegen lassen könnten.
Als Unterlage diente mir ein Feuerschale, denn ich wollte ja nicht meine eigene Wiese anzünden 🙂

Der Versuch beginnt am Samstag um 14:31 Uhr. Der Zeitpunkt der jeweiligen Aufnahmen steht unter den Fotos.

Ich war sehr gespannt, wann die ersten Rauchwölkchen empor steigen würden oder sich das Gras zumindestens verfärben würde. Ein Blick durch die Wärmebildkamera nach ungefähr 80 Minuten volle Sonneneinstrahlung sollte mir einen Eindruck über die erreichte Temperatur bringen. Leider war es nicht so einfach, das Display ordentlich abzubilden, aber man kann sehen, dass die Temperatur ca 58°C und 60°C betrug.
Als höchsten Wert in der Nähe der wassergefüllten Flasche konnte ich 72°C messen.

Nach rund 120 Minuten war immer noch keinerlei Brandwirkung auf dem Gras oder den Fichtennadeln zu erkennen.

Ich beschloss, den Versuch am nächsten Tag fortzuführen. Die Schale stand den ganzen Tag am gleichen Ort stehen. Das erste Foto machte ich um 9:22 Uhr.

Weitere Fotos folgten:

Mein Versuch endete um 13:43 Uhr ohne, das irgendetwas brannte oder Spuren einer thermischen Reaktion zu sehen waren.

Ich hatte mit dem Ergebnis gerechnet, denn bislang scheint es mit Glasscherben wirklich nicht zu funktionieren, einen Vegetationsbrand auszulösen. Dafür ist die erreichte Maximaltemperatur viel zu niedrig.
Aber trotzdem Vorsicht, denn mit wassergefüllten Flaschen soll es unter günstigen Bedingungen möglich sein, Brände entstehen zu lassen, auch wenn es mir hier im Versuch nicht gelungen ist!
Und noch ein Satz, der mir in dem Zusammenhang immer gerne geantwortet wird: „…dann lassen die Leute wenigstens nicht ihren Müll im Wald liegen„… Ja, kann man so sagen.
Aber, wäre es nicht besser, das dann auch so zu benennen, anstatt die Menschen an einen Mythos glauben zu lassen? Kein Müll gehört in den Wald! Weder Glas, Blech, Plastik oder sonst irgend etwas! Nehmt Eure Verpackung vom Picknick einfach wieder mit oder verwendet lieber gleich Mehrwegdosen für die Stulle oder eine wiederverwendbare Trinkflasche.

Hier nachmal die Scherben, die ich verwendet habe:

  1. Der Link zum Originaltext ist inzwischen nicht mehr abrufbar.
    Hier der Link zu einem aktuellen Dokument mit den Hinweisen.