Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert..

.. so die Textzeile im Lied von Klaus Lage.
(uw) In diesem Artikel möchte ich mich mal wieder mit unserer Feuerwehrschutzkleidung beschäftigen.PSANachdem unser Kopfschutz in Form des Feuerwehrhelms lt. aktueller Norm nicht elektrisch leitfähig sein darf, kam mir der Gedanke, mal herauszufinden, wie es damit bei unserer Einsatzkleidung bestellt ist.

Ist ist ja durchaus denkbar, im Innenangriff unter schlechten Sichtbedingungen mir dem Jackenärmel an ein spannungsführendes Stromkabel zu kommen, falls das Gebäude aus irgendwelchen Gründen nicht vom Stromnetz getrennt wurde. Bei Einsätzen in Verbindung mit Photovoltaikanlegen ist eine Abschaltung der Gleichspannung vom Solargenerator bekanntlich nicht immer möglich.

Zunächst hatte ich vor, selbst so einen Versuch mit einer Schaufensterpuppe in Feuerwehrschutzkleidung, ausgestattet mit Messgeräten an verschiedenen Körperteilen, selbst durchzuführen. Das scheiterte aber an dem nötigen Material und der gefahrlosen Durchführung.
Horst Thiem von der BF München berichtete in einem Vortrag von einem solchen Versuch zur Untersuchung der elektrischen Leitfähigkeit von Einsatzkleidung im Rahmen einer Bachelorarbeit.
So konnte ich mir die Mühe sparen 🙂

Damit elektrischer Strom für den Menschen überhaupt gefährlich wird, muß er mit einer bestimmten Stromstärke unseren Körper durchströmen. Zusätzlich ist der Weg des Stroms, also beispielsweise von Hand zu Hand, von Hand zu Fuß, etc. von Bedeutung.
Die Stromstärke (Ampere) ist außerdem abhänging von der Spannung (Volt) und dem Widerstand (Ohm) unseres Körpers. Da wir ja nicht völlig nackt im Einsatz sind, kommt zu dem reinen Körperwiderstand noch der der Schutzschuhe, der Handschuhe und je nach Stromweg, der des Helms oder eben der Schutzkleidung hinzu. Der Widerstand addiert sich also.
Für die mathematische Formel ergibt das:
Gesamtwiderstand = Erdübergangswiderstand+Widerstand Schuhe+Widerstand Körper (gesamt)+Widerstand Schutzkleidung+Leitugswiderstand (bis zur Spannungsquelle)

Die Rechenformel mit der sich das Verhältnis von Spannung(U), Strom(I) und Widerstand(R) errechnen lässt, heißt „Ohmsches Gesetz“ und lautet: I = U/R
Angenommen, es handelt sich um eine Spannung von 230 V und einem Widerstand von 9200 Ohm, ergibt das eine Stromstärke in Höhe von 0,025 Ampere. Diese Stromstärke hat meist noch keine Auswirkungen auf unser Herz-Kreislaufsystem, kann aber Blutdrucksteigerung und Kontraktion von Muskeln bewirken. Abhänging ist auch die Dauer, mit der der Strom auf unseren Körper wirkt. Ab einer Stromstärke von mehr als ca. 0,025 Ampere (25 mA) wird es beim gesunden Erwachsenen gefährlich. All diese Werte sind bitte nur als Richtwerte zu betrachten und keineswegs soll hier der Eindruck enstehen, Strom sei unter gewissen Voraussetzungen harmlos! Bitte keine Selbstversuche oder ähnliches!

Der Versuch, wie von Herrn Thiem gezeigt, brachte interessante Ergebnisse, die sich aber nicht auf alle Arten von Schutzkleidung verallgemeinern lassen. So war im Versuch der Strom bei trockenener Schutzkleidung unterhalb des kritischen Bereichs, bei durchnässter Kleidung aber sehrwohl so hoch, dass es zu körperlichen Schäden und im schlechtesten Fall zum Tode der Person gekommen wäre.

Was sagen nun unsere Hersteller von Feuerwehschutzkleidung dazu? Leider antworteten nur 2 von 8 angeschriebenen Firmen überhaupt auf meine Frage. Eigentlich eine sehr schlechte Quote, denn alle wollen „uns schützen“, sind „Ihrem Erfolg verpflichtet“ und „Qualität hat soger einen Namen“. So einge Werbeslogan. Ich wollte wissen, ob man den elektrischen Widerstand bei Einsatzkleidung schon mal gemessen hat und welche Werte denn zu erwarten wären. Nach Vorgaben der HuPF (Herstellungs- und Prüfungsbeschreibung für eine universelle Feuerwehrschutzkleidung) muß die Kleidung antistatische Eigenschaften haben. Das ist vereinfacht betrachtet genau das Gegenteil von islolierender Wirkung, allerdings mit recht großem Widerstand. Das Gewebe ist, damit keine statischen Aufladungen entstehen können, leitfähig und so wird zum Beispiel verhindert, dass ein Funke ein explosives Luft/Stoff-Gemisch zünden kann. Zitat aus der HuPF: „Der spezifische Oberflächenwiderstand muß bei homogenen Textilien unter 5 * 10 ex10 Ω bei inhomogenen Textilien mit leitfähigen Anteilen unter 10 ex9 Ω liegen.“
Hier ist also eine Höchstgrenze angegeben. Wie die weit die untere Grenze (das wäre für unsere Betrachtung der Stromstärke interessant) zulässig ist, konnte mir niemend sagen. Zumal mir keine Widerstandswerte genannt wurden.
Nebenher erfuhr ich, dass Feuerwehreinsatzkleidung, die die Anforderung der Norm EN 469 erfüllt, nicht zwingend antistatische Eigenschaften haben muß. Einige Hersteller erfüllen diese Bedingung aber trotzdem.
Fazit: Eine Prüfung der isolierenden Eigenschaften im Zusammenhang mit Gefährdung im Bereich Nieder- und Hochspannung gibt es für Feuerwehreinsatzkleidung derzeit nicht.

Ergänzend wandte ich mich noch an zwei renomierte Prüfinstitute. Aber auch hier werden keine solchen Prüfungen durchgeführt. Aus wissenschaftlicher Sicht auch verständlich, beeinflussen doch zu viele Faktoren, wie z.B. Verschmutzungen, Feuchte, Körperschweiß, Einsatzbedingungen, etc. die Messwerte. Außerdem  ist eine solche Prüfung recht kostenintensiv. All diese Dinge lassen keine verlässlichen Ergebnisse zu!

HandschuheÄhnliche Ergebnisse brachte auch die Recherche bei den Feuerwehrhandschuhen. Neue Handschuhe mit einwandfreier Membrane isolieren im trockenen Zustand, allerdings gibt es auch hier keine Prüfungen und verlässlichen Werte. Das wird auch kein Hersteller zertifizieren, da sich im Laufe der Lebensdauer von Einsatzhandschuhen die Eigenschaften rapide verändern können.

Für Feuerwehrstiefel, die eine solche „F2A HI3 CI SRC“ oder solche  „HI3 CI SRC Typ F2A“ Kennzeichnung tragen, haben ebenfalls antistatische Eigenschaften.
FeuerwehrstiefelEin Hersteller nennt sogar Werte: Zw. 100 kΩ und 1000 MΩ wird spezifiziert, um eine begrenzten Schutz vor einem elektrischen Schlag bei einer Spannung bis zu 250 Volt zu haben. Ich denke, es ist hier aber ebenfalls wie bei den Handschuhen und der Kleidung von sehr vielen Faktoren abhängig. Besonders Alter und Zustand der jeweiligen PSA.

Zusammenfassend lässt sich sicher sagen, dass trockene und einwandfreie PSA einen besseren Schutz bietet, als verschlissene Kleidung. Der Faktor Feuchtigkeit spielt bei den Gefahren von Elektrizität eine entscheidene Rolle. Wir sind in unserer PSA nicht ungeschützt, aber alleine darauf verlassen dürfen wir uns nicht.

Nachtrag (06.12.) Eine schweizer Firma meldete sich heute nachträglich, was mich besonders freut. Denn diese Schutzkleidung besitzt neben der DIN EN469:2007 mit Anhang B (Warnschutz) noch zusätzlich einen Störlichtbogenschutz EN 61482-2-2. Hier muß die Schutzkleidung einen Lichtbogen mit 7 kAmpere Stromstärke 1 Sekunde aushalten. Gleiche Anforderungen werden an die PSA, die bei Energieversorgern eingesetzt wird, gestellt.
Wir müssen aber immer beachten, dass Einsatzkleidung zu unserem Schutz da ist, und uns nicht dazu verleiten soll, geltende Sicherheitsbestimmungen nicht zu beachten.

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